Startseite | Kinder begleiten | Schlaf

Baby- und Kinderschlaf Teil 1

Wo schläft das Baby, warum soll es nicht durchschlafen und was ist ein angeglichener Schlafrhythmus Schlaf – DAS Thema unter Eltern. Man kommt gefühlt gar nicht drumherum, darüber reden und/oder sich rechtfertigen zu müssen. Meist hören wir die Standardfrage:

„Schläft es schon durch?“ Die richtige Antwort darauf wäre: „Nein – und das ist auch gut so!“ Da uns immer wieder viele Fragen zum Thema Kinderschlaf erreichen, möchten wir euch im Folgenden ein wenig mehr zu diesem Thema erzählen. 

Wir beginnen mit einem sehr informativen Interview von Nicola Schmitt („Artgerecht Projekt“) mit James McKenna. Er ist biologischer Anthropologe, gründete und leitete das Mutter-Baby-Labor für Verhaltensschlaf an der Universität Notre Dame und untersuchte die Physiologie und das Verhalten von mitschlafenden Müttern und Säuglingen. In diesem Video erfahrt ihr, warum Säuglinge weder durchschlafen können noch sollen.

Nun stellt sich natürlich die Frage, WIE und WO das Baby denn nun schlafen soll. Schauen wir uns also das Thema „Schlafplatz“ genauer an.

Der richtige Schlafplatz für dein Kind ist ein Ort, an dem das Kind sich wohl fühlt und gleichzeitig sicher ist. Nun gibt es verschiedene Orte, die dafür in Frage kommen:

  • das eigene Bettchen im Schlafzimmer der Eltern
  • ein Beistellbett (das muss nicht unbedingt das kleine gängige „Babybay“ und seine Verwandten sein, es kann auch ein „normales“ Gitterbett sein, von dem eine lange Seite fehlt, davon hat man länger etwas)
  • das Familienbett


All diese drei Optionen können die richtige Wahl für euch sein. Wichtig ist bei allen drei Modellen:
Je einfacher ausgestattet der Schlafplatz, desto sicherer. 

Also KEINE Kuscheltiere, Nestchen, Felle oder sonstiger Kram. Auch keine Haustiere!
Das Baby liegt auf einer festen und sauberen Matratze.
Das Baby liegt auf dem Rücken.
Das Baby hat kein Kissen und keine Decke, keine Mütze auf dem Kopf, es trägt nur einen Schlafsack.
Das Baby kann nicht aus dem Bett herausfallen.
Die Raumtemperatur sollte nicht zu hoch sein.

Nach jahrelangem Kontakt zu Müttern und Familien hat sich herauskristallisiert, dass viele Eltern sich am wohlsten fühlen, wenn das Kind in der Nacht einfach möglichst nah bei ihnen ist. Wenn man Kinder fragt, ist die Antwort sowieso klar, am schönsten schläft es sich bei Mama und/oder Papa. Was wir allerdings auch oft hörten, waren die Unsicherheiten und Ängste diesbezüglich. Ist das gefährlich? Wird das Kind dadurch verwöhnt? Wird es jemals von allein in ein eigenes Bett umziehen? Gibt es für uns Eltern Nachteile bezüglich körperlicher Intimität? Wir werden euch heute und hier all diese Fragen beantworten.

Fangen wir gleich mit der wichtigsten Frage an:
Ist der Schlaf im Familienbett gefährlich für das Baby/Kind?
Die Antwort ist vorerst „Jein“, denn es kommt auf die Gegebenheiten an. Wenn ihr euch an alle Empfehlungen und Sicherheitsmaßnahmen haltet, ist die Antwort ein klares „Nein“.
Im Gegenteil, der nahe Schlaf kann sogar einige Vorteile haben, z.B.:

  • dem Plötzlichen Kindstod (SIDS) vorbeugen, indem die Atmung der Mutter/Eltern das Kind animiert, selbst regelmäßig zu atmen
  • eine Angleichung des Schlafrhythmus von Mutter und Baby fördern und dadurch eine ausgeruhte Mama (*näheres zu dem Thema am Ende des Textes)
  • eine gesunde Entwicklung fördern, denn häufiges Stillen sorgt für ein gesundes Wachstum
  • die Bindung stärken

Stillen ist eine wichtige Voraussetzung dafür, sicher im Familienbett zu schlafen, da stillende Mütter scheinbar evolutionär dazu tendieren, sich seitlich zum Baby zu drehen, die Knie unter ihm anzuziehen und so einen sicheren Rahmen für das Baby zu bieten, in der dann auch gestillt werden kann. 

Die Mütter wachen schneller auf und reagieren scheinbar auch auf Atemveränderungen ihrer Babys.
Das Baby sollte dabei so hoch auf der Matratze liegen, dass die Mama sich ihre Bettdecke erst komplett selbst über ihren Kopf ziehen müsste, um das Baby zuzudecken.
Es gibt inzwischen aber sogar Schlafsäcke für Eltern, das ist natürlich die ideale Lösung.

GANZ WICHTIG: wer Drogen, Alkohol oder Medikamente zu sich genommen hat, darf nicht mit einem Kind im gleichen Bett schlafen! Das gleiche gilt für das Rauchen! Selbstverständlich darf im Schlafzimmer nicht geraucht werden und ein rauchendes Elternteil darf nicht mit im Familienbett schlafen. Auch schwer übergewichtigen Eltern wird davon abgeraten, im gleichen Bett wie das Baby zu schlafen. Außerdem bitte niemals zusammen mit dem Baby auf einem Sofa oder Sessel schlafen! Das Risiko zwischen Kissen zu geraten ist sehr hoch, sowie auch das Risiko, vom Erwachsenen erdrückt zu werden! Und wie immer ganz wichtig: Jedes Kind und jede Familie ist anders. Wie für alle Lebensbereiche gibt es auch beim Thema Schlaf keine allgemeingültigen Empfehlungen. Sucht euch einfach das für euch passende heraus und informiert euch. Ihr als Familie müsst euch wohlfühlen, eure Kinder sich geliebt. Das ist das Einzige, was letztlich zählt.

Kommen wir zum nächsten Punkt: Kann ich mein Baby/Kind verwöhnen, wenn es bei uns im Bett schläft?

Die Frage nach dem „Verwöhnen“ ist nicht nur bezüglich des Themas Schlaf für viele interessant, sie wird auch oft bei allen anderen Bereichen des täglichen Lebens mit Babys/Kindern gestellt. Füttern, Anziehen, Tragen – die Liste ist lang. Habt ihr Lust auf einen kleinen Exkurs, bevor wir die Frage letztlich beantworten?

Ja oder ja? Los geht’s! Fragen wir uns mal kurz folgendes: warum ist unsere Gesellschaft so darauf fixiert, ihre Nachkommen bloß nicht zu verwöhnen? Es ist die Angst vor dem „Tyrann“, die uns auch heute leider noch häufig begegnet und gerade von der älteren Generation noch gern verbreitet wird.
Die wenigsten wissen, dass diese Angst ein Überbleibsel aus der Nazi-Zeit ist.

Geprägt vom damaligen Regime, um starke und gleichzeitig willenlose Soldaten zu erziehen, die dann in den Krieg geschickt wurden. Die Mädchen wurden zu willenlosen Geburtsmaschinen erzogen, die dem Führer viele Kinder gebären sollten. Für diesen Zweck hat die damalige Ärztin (übrigens eine Lungenfachärztin!) Johanna Haarer einen gruseligen Erziehungsratgeber geschrieben. 

Dieser Ratgeber wurde damals zusätzlich zu Kursen an alle Mütter verteilt, stand aber auch in der Nachkriegszeit noch in fast jedem Haushalt und wurde bis 1987 noch in etwas geschönter Auflage gedruckt und verkauft. 

Wer sich mit dem Thema näher beschäftigen möchte, findet hier einen Link zu einem lesenswerten Artikel, der alle Hintergründe gut beleuchtet. Für „Zeit“ Abonnenten gibt es einen tollen Artikel dazu hier.

Gut 70 Jahre später wissen wir es zum Glück besser. Oder sollten es zumindest. Niemand will mehr willenlose Soldaten und brave Mütter erziehen, wir wollen glückliche Kinder, die ihr Leben bestmöglich meistern. Trotzdem lassen wir uns immer wieder verunsichern. Denn nicht nur die ältere Generation, nein, auch Teile unserer Generation wiederholen noch immer unreflektiert die gleichen Ratschläge aus eben dieser Zeit und sind sich dessen leider einfach oft nicht bewusst. Deswegen ist es uns wichtig, euch darüber aufzuklären, was wir inzwischen wissen und was auch wissenschaftlich gut fundiert ist:
Ein Kind kann nicht verwöhnt werden, in dem man seine Grundbedürfnisse befriedigt! Ein „Zuviel“ an Liebe gibt es nicht!

Kommen wir also zurück zu unserer Ausgangsfrage, nämlich, ob ein Baby oder Kind davon verwöhnt wird, wenn es bei den Eltern mit im Bett schläft. Die Antwort lautet ganz eindeutig – NEIN!
Sind wir doch ehrlich: auch wir Großen schlafen am liebsten neben unserem Partner – sind wir davon etwa verwöhnt? Sollen wir ab heute Nacht lieber in Einzelbetten schlafen, um unseren Partner nicht zu verwöhnen?

Auf zur nächsten Frage bzw. sind es gleich zwei: Wird unser Kind jemals von allein in ein eigenes Bett umziehen? Gibt es für uns Eltern Nachteile bezüglich körperlicher Intimität?

Die erste Frage lässt sich ganz leicht beantworten: Ja, darauf könnt ihr euch verlassen. Uns ist kein Kind bekannt, dass gern noch mit dem ersten Freund oder der Freundin zwischen den Eltern schlafen möchte.
Allerdings wissen wir ja bereits, dass jedes Kind anders ist und daher zieht das Eine von allein aus, das Andere schläft mal da mal da und es gibt auch Kinder, die besonders lange und stark die Nähe brauchen und daher erst spät aus dem Familienbett ausziehen.

Dazu sollte man wissen, dass Familienbettkinder sich häufig anders entwickeln als Alleinschläfer. Laut einer Studie der Universität von Kalifornien, die Mütter und ihre Vorschulkinder darauf untersuchte, ob Co-Sleeping (also, das gemeinsame Schlafen) die Unabhängigkeit von Kindern fördert oder behindert, schliefen Alleinschläfer allein ein, die Nacht durch und wurden früher abgestillt. Dagegen waren die Familienbettkinder früher selbstständig (konnten sich z.B. früher allein anziehen) und auch sozial unanbhängiger (fanden z.B. neue Freunde ohne die Hilfe ihrer Mutter). Das Selbstbewusstsein dieser Kinder scheint oft ausgeprägter.

Nun zum zweiten Thema, das oft als Argument gegen das Familienbett hergenommen wird: Die Sexualität zwischen den Eltern. Zuallererst: Ob und wieviel Sex Eltern haben, wenn ein Baby geboren wird, hängt vor allem von anderen Faktoren ab, als vom Schlafplatz. Das Leben verändert sich auf allen Ebenen, es entstehen Konflikte, viele Eltern empfinden gerade die erste Zeit als große Belastung. Hier geht es vor allem darum, diese Umstellung gemeinsam zu stemmen, in Kommunikation zu gehen und sich gemeinsame Momente zu schaffen. Ob da ein Baby im Bett liegt, ist eher nebensächlich und – wie auch das Stillen – nie daran schuld, wenn es zwischen den Eltern nicht (mehr) passt. In vielen Kulturen der Erde haben Eltern nachts Sex – egal ob ein Baby mit im Raum ist oder nicht. Wer das nicht möchte, kann das Baby auch z.B. auf seiner Krabbeldecke einschlafen lassen und es dann erst mit in’s Bett holen. Sexualität ist aber auch nicht auf diesen einen Ort festgelegt, Eltern dürfen hier ruhig auch mal kreativ werden und anderswo Spaß haben. Und dabei nie vergessen: die Zeiten ändern sich wieder! Die Zeit, in der unsere Kinder so klein sind, ist im Vergleich zu unseren durchschnittlich 70-80 Jahren, die wir auf dieser Welt verbringen, doch wirklich sehr kurz. Also genießt die Zeit mit ihnen, so gut ihr könnt.

Wir hoffen, ein wenig Licht in’s Dunkel für euch bekommen zu haben. In den anderen Beiträgen zum Thema Baby- und Kinderschlaf findet ihr noch mehr Infos und Tipps.

Angleichung des Schlafrhythmus von Mama und Baby:

Was bedeutet das genau? Schlafen Eltern und Kinder nach der Geburt direkt gemeinsam, entstehen parallele Schlafrhythmen. Es gibt die Theorie, dass Erwachsene alle 90 Minuten in die nächste Schlafphase wechseln, da Babys auch etwa alle 90 Minuten hungrig werden.

Kommt das Baby in eine leichtere Schlafphase und ist kurz vor dem Aufwachen, passiert das gleiche bei der Mama und umgekehrt. So muss das Baby nur kleine Stillzeichen von sich geben (z.B. schmatzen, lutschen am Fäustchen, Kopf hin und her drehen und nach der Brust suchen) und wird sofort gehört. Schreien ist dagegen ein eher spätes Hungerzeichen.

So wird auch sichergestellt, dass das Baby nachts genug Nahrung bekommt und es sicher ist. Gleichzeitig wird die Mama nie von ihrem Kind aus dem Tiefschlaf gerissen und spart dadurch Energie und Nerven. Der Effekt wird verstärkt, wenn Eltern gern ihre Kinder bei sich schlafen lassen, die Mutter stillt und die Familie grundsätzlich achtsam miteinander umgeht.

Bei Stress, Druck oder auch Depression (postnatale Depression) funktioniert das oft nicht. Auch bei einer Trennung nach der Geburt kann es sein, dass sich die Schlafrhythmen nicht anpassen.

Grundsätzlich ist es auch so, dass das Konzept des „Durchschlafens“ vor allem in westlichen Kulturen verbreitet ist und auch nur hier das Wecken durch das Kind als dramatisch empfunden wird. In anderen Kulturen wird es allerdings schon deshalb nicht als schlimm empfunden, weil Schlaf einfach tagsüber nachgeholt wird. Daher können wir nur immer wieder dazu raten, sich einfach so oft wie möglich tagsüber dem Baby beim Schlafen anzuschließen. 

Wir haben Euer Interesse geweckt?
Dann kommt doch gerne persönlich vorbei oder
vereinbart noch heute Euren persönlichen Beratungstermin.